Freitag, 8. Juli 2011

Trauerer und Trauerinnen

"Ich trauere."- "Ich bin in Trauer."
Wie geht es Ihnen, wenn Sie diesen Satz aussprechen? Wie geht es Ihnen, wenn Sie diesen Satz hören?

Mir geht es so: Kaum höre ich das Wort Trauer, läuft in meinem Kopf ein ziemlich eintöniger Film ab. Obwohl ich selbst trauernd war oder bin (wie weiß man eigentlich, ob es vorbei ist?), obwohl ich selbst erlebt habe, dass "Trauern" viel mehr ist als "traurig sein", sehe ich immer noch die selbe Dia-Show vor meinem inneren Auge ablaufen:

Tränen. Gebeugte Haltung. Seufzen.
Schwach. Hilfsbedürftig. Ohne Kraft.

Komisch. Denn wenn ich mich richtig erinnere, habe ich gerade in der Zeit tiefster Trauer jede Menge Kraft gehabt. Oft war es "nur" die Kraft der Verzweiflung, aber da war noch etwas ganz Anderes. Ich konnte mich über Winzigkeiten freuen als wären sie ein Lottogewinn. Ich war dankbar und sehr verträglich. Manchmal habe ich sogar recht kluge Dinge von mir gegeben. Natürlich habe ich auch geweint. Aber:

Ich war nicht schwarz.
Eher ...durchsichtig.
Um mich herum war es nicht düster.
Eher ...himmelshell.
Meine Stimme war nicht schrill.
Eher ...samtweich und freundlich.
In meinen Augen standen auch Tränen.
Viel öfter aber sprühten sie vor Liebe und Dankbarkeit.

Immer noch bin ich auf der Suche nach Wörtern, die diese andere, liebevolle und lebenszugewandte Seite der Trauer klar ausdrücken und helfen, Tabus abzubauen. Die zeigen, das Trauernde schwach und stark zugleich sind, und dass sie nicht nur Hilfe brauchen, sondern auch so manches zu geben haben.

"Trauerer und Trauerinnen",
das sind für mich Menschen, die - unfreiwillig - neu geboren wurden, indem ein geliebter Gefährte gestorben ist. Der Partner, das Kind, der Verwandte ging seinen Weg in das Neuland, das Himmel heißt.
Unser Weg verläuft parallel, oder eigentlich: spiegelgleich. Auch unser Weg ist neu. Wir müssen die Welt, in die wir nun geboren wurden, die Welt ohne den geliebten Menschen erst erkunden. Unsere Schritte sind zaghaft, Stolpern gehört dazu.

Die Trauerer und Trauerinnen, die ich kennenlernen durfte, sind mutig. Es ist nicht leicht, neu geboren zu werden in einer Welt, in der es vor allem darum geht, nicht aufzufallen mit seiner Schwäche und seiner Ratlosigkeit. In einer Welt, in der das Stolpern nicht gern gesehen wird.

Was ich weiß: Trauerer und Trauerinnen sind viel mehr als ihre Tränen.

Sie sind ...
dazu gäbe es eine lange Geschichte zu erzählen. Sie folgt im nächsten Post.

Bis bald,
Barbara Pachl-Eberhart

P.S.: Hier ein sehr interessanter Vortrag zum Thema "The danger of a single story" (also darüber, warum es so gefährlich ist, einen Menschen auf EINE Geschichte - z.B. Trauer - zu reduzieren).
Chimamanda Adichie auf "TED"

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