Dienstag, 19. Juli 2011

Heute im Internet gefunden...

Ein bereits älterer Mönch kam zu einem Zen-Meister und sagte: «Ich habe in meinem Leben eine Vielzahl von spirituellen Lehrern aufgesucht und nach und nach immer mehr Vergnügungen aufgegeben, um meine Begierden zu bekämpfen. Ich habe lange Zeit gefastet, jahrelang mich dem Zölibat unterworfen und mich regelmäßig kasteit. Ich habe alles getan, was von mir verlangt wurde, und ich habe wahrhaft gelitten, doch die Erleuchtung wurde mir nicht zuteil. Ich habe alles aufgegeben, jede Gier, jede Freude, jedes Streben fallengelassen. Was soll ich jetzt noch tun?» 
Der Meister erwiderte: «Gib das Leiden auf
Marco Aldinger, "Was ist die ewige Wahrheit?" "Geh weiter!"


"Gib das Leiden auf" - eine wichtige Erinnerung an Wesentliches oder pure Provokation?
Gerade heute Morgen finde ich die Aufforderung des Meisters sehr passend. Ich denke, meine Familie da oben (da drüben, da gleich ums Eck) würde nichts anderes sagen, wenn ich sie fragen könnte.


"Ihr lieben, ich habe nun jahrelang Tränen vergossen, habe gefastet und mich zurückgezogen. Ich habe meiner Trauer Raum gegeben, sie mit anderen geteilt, ihr eine Form verliehen. Ich habe wahrhaft gelitten, doch der Schmerz und die Sehnsucht sind nicht verschwunden. Was soll ich tun?"
"Gib das Leiden auf". Oder, in den Worten meines Mannes Heli: "Alte, scheiß dir nix!"


So einfach? Vielleicht. Von dort oben betrachtet.
Hier unten meldet sich eine leise Stimme in mir, die nörgelt und motzt. "Wie soll das gehen? Es tut eben weh. Das lasse ich mir nicht einfach wegreden. Hört auf, alles schönzureden!"


Ich höre der kleinen Stimme geduldig zu. Denn ich vermute, dass sich hinter ihrem morgendlichen Wutanfall noch eine andere Botschaft verbirgt. "Lass das Leiden los" - diese Idee scheint ihr eine gehörige Portion Angst einzujagen. Warum nur?


Kann es sein, dass das Leid eine Art Stütze ist, an der sie sich festklammert? Eine Green-Card für das Land der Trauernden, in dem man immerhin so manche Freiheit besitzt, die im "normalen Leben" nur sehr schwer zu erreichen ist? Die Freiheit, sich Zeit zu nehmen. Die Freiheit, Anrufe unbeantwortet zu lassen. Die Freiheit, eigensinnig zu sein, lange Spaziergänge zu machen und sich unterstützen zu lassen, wenn es nicht mehr geht.
"Muss ich das alles wieder aufgeben, wenn ich das Leiden loslasse?", fragt mich meine kleine Stimme bang.


Die Antwort ist klar. Ich gebe sie mir selbst, liebevoll. Die Engel ums Eck meine ich in Zustimmung nicken zu sehen.
"Mach weiter so, in aller Freiheit. Und erlaube Dir, sie zu genießen. Sie bleibt, auch ohne Leid. Sie ist das Geschenk, das der Tod dir gemacht hat. Nimm es an, ohne Zögern. Ohne Zinsen und Schulden. Es gehört Dir, für immer!"


Einen freudigen, dankbaren, freien Tag voll Sonnenschein (Wir haben ihn verdient!) wünscht 
Barbara Pachl-Eberhart