Donnerstag, 14. Juli 2011

Der kleine große Unterschied

Fahren Sie Auto? Vermutlich.

Möglicherweise gehören Sie sogar zu der selben Gattung Autofahrer wie ich:
Ich fahre ...MIT.
Nein, nicht -bei. Das Gaspedal trete ich schon ganz gerne selber. Aber niemals, wirklich niemals wage ich mich auf die Straße ohne...
mein Navi. Mein Tomtom. Mein GPS!

Was hat das nun mit Trauerern zu tun, mögen Sie sich fragen.
Sehr viel, meine ich. Das weiß ich spätestens seit jenem Tag, als - weiß der Himmel warum - mein kleines kluges Kästchen mir plötzlich den Dienst versagte, und das nicht auf der Autobahn, sondern da, wo es am Schlimmsten ist: im Wiener Einbahndschungel, mitten im Berufsverkehr. Funkloch? Sonnenfinsternis? Technischer Defekt? Keine Ahnung.
Die Autofahrer hinter mir müssen sehr erstaunt gewesen sein. Gerade noch hatte sich da vor ihrer Nase ein grasgrüner Toyota ganz anständig verhalten, hatte sich ordentlich eingereiht, rechtzeitig (und auf der richtigen Seite) geblinkt und war im Großen und Ganzen nicht aufgefallen. Nun allerdings...
Tja. Ich glaube, ich habe auf  hundert Meter zehnmal die Spur gewechselt. Ohne zu blinken, oder wenn, dann falsch. Bei jeder Seitengasse bremste ich abrupt ab, um gleich darauf stotternd wieder Gas zu geben. Zwei Mal starb mir dabei der Motor ab, einmal hätte ich fast ein überholendes Auto übersehen. Mein Ziel habe ich schließlich nur gefunden, weil ich - streng verboten - mein Handy zückte und meinen Liebsten anrief, der einfach immer den richtigen Weg weiß.

Wenn ich aus der Vogelperspektive auf mein Leben blicke, so ähnelt die Wegstrecke, die ich nach dem Tod meiner Familie zurücklegte, jener planlosen, chaotischen Fahrt ohne GPS.
Zwar wusste ich nach wie vor, wie das geht: Gas geben, schalten, lenken. Atmen, lächeln, gehen, schlafen, kommunizieren. Ich war nicht plötzlich verrückt geworden, es gab keinen Grund, mir den Lebensführerschein zu entziehen. Und doch war ich anders. Unberechenbar. Ziel- und orientierungslos.

Ehrlich gesagt hat das Navi meines Lebens bis heute seinen Empfang nicht wiedergefunden. Die Telefonnummer der Zentrale, die mir den richtigen Weg ansagt, konnte ich bislang auch noch nicht herausfinden. Allerdings: ich lerne wieder, Karten zu lesen. Mich umzusehen. Neue Wege zu erkunden und Sackgassen rechtzeitig zu erkennen. Insgesamt gefällt mir diese Art, mich fortzubewegen,ganz gut. Auch wenn ich immer wieder ganz seltsame Fehler mache.
Für die Menschen in meiner Umgebung bin ich nach wie vor nicht einfach. Sie fahren auf der Straße des Lebens, hinter, neben und vor mir, während ich versuche, so gut wie möglich im Fluss zu bleiben. Meistens merkt man mir gar nicht an, dass ich keine Ahnung habe, wo ich gerade bin. Und genau darin liegt das Problem. Denn meine Spurwechsel kommen überraschend. Manchmal bremse ich immer noch unverhofft und ohne mich umzusehen. Und so sehr ich mich auch bemühe, rechtzeitig zu blinken, es gelingt nicht immer.
Vielleicht solllte ich mir ein Schild auf den Rücken kleben. Eine blaue Tafel mit weißem L. Oder T wie Trauerin? Tollpatsch? Total durchgeknallt?
T...errain erkundend, das gefällt mir besser. Denn immerhin könnte es ja sein, dass ich auf diesem Weg Neues entdecke. Kleine Seitengassen, die nich einmal Google Earth jemals gesehen hat? Ich werde darüber berichten!
Tastende, taufrische Grüße,
Barbara Pachl-Eberhart

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